Warum brauchen wir überhaupt eine Bio­Sackerl­-Verordnung?

29.05.2019 biologisch
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Warum brauchen wir überhaupt eine Bio-Sackerl-Verordnung?

Bei einer durchschnittlichen Nutzung eines Plastiksackerls und einer Zerfallzeit von 100 bis 500 Jahre, bei einem Verbrauch von 100 000 000 Plastiksäcken pro Jahr, ist es nur zu verständlich, dass es allerhöchste Zeit wurde bis die Politik endlich agierte und nach 4 Jahren Verhandlungszeit eine Plastikmüllverordnung beschloß.

Die EU möchte kostenfreie Plastiksackerl um 80% verringern und Österreich hat als eines der ersten Länder, damit begonnen dies umzusetzen.

Nachdem im ersten Schritt die kostenfreien Einkaufssackerl abgeschafft wurden, sollen nun nach und nach, aber bis spätestens 1. Jänner 2021 auch sämtliche Alltags-Wegwerfprodukte aus Plastik aus dem Handel kommen. Dazu zählen unter anderem Gemüse- und Obstsäcke, Strohhalme aus Plastik, Wegwerfgeschirr, Wattestäbchen und Ähnliches.

Aber nicht nur in der EU, sondern auf der ganzen Welt werden vor allem Plastiksäcke kostenpflichtig, deren Gebrauch verboten und sogar unter Strafe gestellt.

EU-Mitgliedsstaaten können sich dabei selbst aussuchen ob sie diese Umsetzung über Steuern, nationale Verbote oder Gebühren regeln.

In einigen europäischen Ländern wurden derartige Gesetze schon erlassen und somit konnte der Verbrauch dort schon deutlich reduziert werden.

Kunststoff und Plastikgegenstände sind in unserer Welt kaum mehr wegzudenken, dabei ist es doch eigentlich gar nicht so lange her, als unsere Welt noch nahezu Kunststoff-frei war. Wann kam denn nun das heutzutage schon ungeliebte Plastik in unsere Welt? Einen interessanten geschichtlichen Einblick verschaffen wir uns im nächsten Abschnitt….

 

Ein kurzer Überblick in die Entstehungsgeschichte des Kunststoffes

Es lässt sich nicht genau zurückverfolgen, wo das Plastik, wie wir es heute kennen, seinen Ursprung hat.

Bekannt ist jedenfalls, dass es schon vor vielen tausend Jahren Verbindungen aus Harz und anderen Stoffen gab, die genau genommen neue, eben künstliche Stoffe entstehen ließen. So ist Plastik  also das Produkt von vielfältigen Forschungsergebnissen, an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten.

Ein kleiner Meilenstein in der Entwicklung der Kunststoffe war wohl die Suche nach einem Ersatzmaterial für Elfenbein, welches früher für die Herstellung von Billardkugeln verwendet wurde. Der damals entdeckte Stoff etablierte sich zwar nicht für genau diesen Zweck, war aber anderweitig schon ganz gut brauchbar und wurde deshalb weiterentwickelt.

1936 kamen vereinzelt erste Produkte für den Haushalt und auch Spielzeug aus Plastik auf den Markt.

Zwischen 1930 und 1940 entstanden Polyethylen und Polyamid – was dem Plastik zum tatsächlichen Durchbruch verhalf. In erster Linie handelte es sich damals aber um die Produktion von Kunststoffen für Kriegsmaterial.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges, musste man sich etwas Neues für die stillstehenden Fabriken einfallen lassen und man begann allerlei Alltagswaren aus Plastik zu produzieren. In kurzer Zeit konnte vor allem die westliche Welt mit diesen Gegenständen überschwemmt werden und der aufsteigende Wohlstand begrüßte diese Tatsache.

Kaum zu glauben, aber schon 1972 gab es Diskussionen zum Thema Plastikmüll und seine Auswirkungen auf uns und unsere Umwelt – jetzt, knapp 50 Jahre später stehen wir nun vor der Herausforderung, dass wir nicht mehr wissen wohin mit dem ganzen Plastikmüll. Welche Folgen diese Plastikflut auf uns und unsere Umwelt hat lesen sie im nächsten Abschnitt….

 

“Saran Plastic Wrap Commercial 1953”

“A Brief History of How Plastic has changed our world

Auswirkungen und Folgen unseres Plastikmülls

Plastik an Stränden, Sträuchern, Bäumen, im Wald, am Feld, auf Wiesen, in Gewässern –  wir alle kennen solche Bilder zur Genüge und sind von dieser Umweltverschmutzung betroffen.

Wir treffen überall auf Plastikmüll, meist da  wo er nicht sein soll, doch das ist nur die Spitze des Eisberges.

Das Hauptproblem dieses Sondermülls ist ein künstlich im Labor hergestellter Stoff aus organischen Verbindungen, der eine extreme Lebensdauer aufweist. Des einen Freud, des anderen Leid…und so kann KEIN Organismus herkömmliche Kunststoffe abbauen! Das heisst: ALLE jemals aus Plastik hergestellten Gegenstände, bis auf jene die verbrannt wurden,  existieren weiter….

Was das wirklich bedeutet können wir nur erahnen, weil der Mensch bis jetzt auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen kann.

Weil Plastik also weder abgebaut noch zersetzt wird  zerreibt es sich nach und nach und wird zu Mikroplastik, was bei manchen Kunststoffarten bis zu 500 Jahre dauern kann.

Ebenso entstehen Verunreinigungen des Wassers durch künstliche Fasern von Kleidung, Kunststoffteilchen aus  Kosmetikprodukten und auch der Abrieb der Autoreifen, was nicht zu unterschätzen ist.

Dieser Mini-Plastikmüll verteilt sich über Wasser und Luft geradezu überall hin und ist mittlerweile auch in unserer Nahrung zu finden. Mikroplastik findet sich auch in grossen Mengen in der Donau und gelangt so über Flüsse bis ins Meer und eigentlich überall hin.

Gegenwärtig gibt es sogenannte “Plastikteppiche” oder auch “Müllstrudel” genannt in folgenden Meeren:

  • Roten Meer
  • Atlantik
  • Südpazifik
  • Indischer Ozean

Der Plastikteppich im Pazifik ist sogar 4 mal so gross wie Deutschland!

Warum sich gerade dort diese Massen an Plastik sammeln liegt vor allem daran, dass es dort Strömungen gibt, wo sich das Plastik nicht nur an der Oberfläche sammelt sondern bis zum Meeresboden reicht.

Laut UN Angaben sollen sich dort sogar bis zu 18000 Plastikteile pro km2 befinden.

Das tragische an der Meeresverschmutzung ist vor allem auch, dass Meeresbewohner und auch Meeresvögel das Plastik mit Futter verwechseln, dieses den Magen füllt , nicht verdaut werden kann und die Tiere qualvoll verhungern. Auch verheddern sich Tiere in Plastikteilen, strangulieren sich, binden sich Gliedmaßen ab und können sich selbst nicht mehr daraus befreien.

Ein weiteres, weit unterschätztes Problem ist, dass Kunststoffe Pestizide und Herbizide, die aus der Landwirtschaft in Gewässer gelangen, aus dem Wasser aufnehmen. Dieses Mikroplastik ist hochtoxisch und gelangt über Bioakkumulation in unsere Nahrung: Kleine Fische verwechseln diese Plastikkügelchen mit Nahrung, diese werden wiederum von grösseren Fischen gefressen usw.  Am Ende dieser Nahrungskette steht der Mensch der quasi vergiftete Fische auf seinem Speiseplan hat.

Aber wer ist an dem Desaster schuld? Konsument, Politik oder Wirtschaft?

Plastiksäcke, aber auch allerlei andere Plastikprodukte fanden regen Eingang in unsere Welt vor allem deshalb, weil sie so praktisch, günstig und vielfältig verwendbar sind. Kunststoff ist wasser- und chemiebeständig, leicht herzustellen und wiegt kaum etwas. Deshalb wurden auch in kürzester Zeit Unmengen davon produziert und in Umlauf gebracht.

Da Kunststoffe bekanntlich aus Erdöl hergestellt werden, für ein Plastiksackerl bis zu 40 g davon verwendet wird, muss es so schnell wie möglich eine Lösung geben einen Ersatz dafür zu finden, nicht nur wegen des Müllproblems, sondern weil sich dessen Rohstoff allmählich dem Ende zu neigt….

Da Recycling selbst sehr teuer ist und nur wenig recyclebares Material im weiterverwendbaren Plastikmüll landet (Viele Kunststoffprodukte bestehen aus verschiedenen, miteinander fest verbundenen, Kunststoffmaterialien, die nicht gemeinsam recycelt werden können) ist das noch nicht DIE Lösung für die gigantischen Plastikmüllberge.

Auch ist die Sammelquote von PET-Flaschen in Österreich mit 70 % noch verhältnismässig gering, wo doch die Quote in anderen Ländern bei 90-95 % liegt.

Derzeit geht man von 150 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren aus, Tendenz steigend. Düstere Prognosen lassen darauf schließen, dass es bis 2050 mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren geben wird, wobei in manchen Gebieten jetzt schon mehr Mikroplastik als natürliche Nahrung (Plankton – Verhältnis 10:1) vorhanden ist.

 

Aber warum das Plastik nicht einfach verbrennen?

In Kunststoffen sind giftige Weichmacher und Konservierungsmittel enthalten, diese schädlichen Stoffe gelangen beim Verbrennen in die Luft.

Wird zB. PET verbrannt entstehen dabei Kohlendioxid (Ein Treibhausgas und somit mitverantwortlich für die Klimaerwärmung!), Kohlenmonoxid (Ein äußerst gefährliches Atemgift für Mensch und Tier, da geruchlos!) und krebserregende Aromate.

Welche Gesundheitsprobleme können durch Plastik entstehen?

Da Konsequenzen nicht immer unmittelbar auf eine einzige Ursache zurückzuführen sind, ist es sehr schwer aufkommende Gesundheitsprobleme nur auf eine Sache zu reduzieren.

Erwiesenermaßen steigt die Krebsrate laut WHO aber mit jedem Jahr. Dies aber jetzt alleine auf Plastik in der Umwelt zu reduzieren wäre nicht sachdienlich.

Belegt jedenfalls ist die Tatsache, dass sogenannte Additive, also Weichmacher den Kunststoffen zugefügt werden um diese eben  weicher und elastischer zu machen.

Diese Substanzen bleiben aber nicht zur Gänze im Kunststoff, sondern werden nach und nach über die Luft oder über das Wasser wieder freigesetzt.

Trotzdem gibt es gesundheitliche Probleme die bis jetzt mit Kunststoffen und deren Beistoffen in Verbindung gebracht werden:

  • Störungen des Hormonhaushaltes vor allem bei Babys und Kleinkindern
  • Unfruchtbarkeit bei Männern und Frauen
  • Fehlgeburten
  • Schäden an Leber, Nieren und Hoden
  • Krebs

Alternativen zum Plastiksackerl

Da Plastik ein sehr billiges und haltbares Material ist, war es bis jetzt gar nicht so einfach ein entsprechendes Ersatzmaterial auf den Markt zu bringen. Wer bei unseren Nachbarn in  Italien Urlaub macht, dem ist bestimmt schon aufgefallen, dass es in der Obst- und Gemüseabteilung seit einigen Jahren nun Bio-Sackerl gibt, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und biologisch abbaubar sind. Sie basieren auf Mais- oder Kartoffelstärke und sind ganz gleich wie die Plastiksackerl zu verwenden.

Diese Biosäcke werden unter normalen Kompostbedingungen innerhalb weniger Monate auf biologische Weise zu Wasser, Kohlendioxid und Methan abgebaut, dennoch werden sie von Kritikern bemängelt, vor allem deshalb, weil sie im täglichen Gebrauch doch länger in der Zersetzung brauchen, als unter angegebenen Laborbedingungen.

Derzeit sind biologisch abbaubare Obst- und Gemüsesackerl die beste Alternative zu den 390 Millionen Stück Plastiksackerln im Jahr, die nach meist nur einer Nutzung bis zu 100 Jahren brauchen bis sie sich in Plastikstaub zerrieben haben.

Anschließend finden sie einen Überblick über mögliche Alternativen zum gängigen Plastiksackerl:

Papiersäcke:

Die Herstellung von Papiersäcken braucht sehr viel Energie, noch dazu kann man sie meist nicht öfter als einmal verwenden, da sie nicht besonders reißfest und nassfest sind. Ein  Papiersackerl müsste 3 – 4 mal verwendet werden damit es ökologisch besser abschneiden könnte als ein Plastiksackerl, das passiert aber kaum, da sie vorher kaputt gehen.

Leider sind solche Papiersäcke meist nicht aus Altpapier und landen nach Gebrauch dort oft auch nicht. Sie zersetzen sich allerdings recht schnell, sind aber deshalb bei Regen nicht besonders geeignet.

Baumwollsäcke/ Baumwolltragetasche:

Da die Baumwollpflanze Mengen von Wasser braucht, starke Pestizide und Düngemittel beim Anbau verwendet werden ist die Verwendung von Baumwolltaschen ökologisch nicht wirklich vertretbar. Dem gegenüber steht aber, dass man sie recht oft verwenden kann und sie durch Waschen lange wie neu aussehen können.

Säcke aus Polypropylen:

Für diese Säcke werden oft recycelte PET Flaschen verwendet. Sie können eine recht lange Lebensdauer haben, man kann sie immer wieder verwenden, allerdings haben sie auch einmal eine Ablaufzeit und brauchen dann wiederum hunderte von Jahren bis sie sich zu Mikroplastik zersetzt haben

Korb, Korbtaschen:

Körbe schauen schön aus, zerbrechliche Dinge lassen sich darin gut geschützt transportieren und können nur schwer umkippen. Allerdings sind Körbe in der Mitnahme recht sperrig und gar nicht komfortabel wenn man sie länger tragen muss.

Netze aus Zellulose:

Als Alternative zum Gemüsesackerl eine gute Lösung, zur Zeit sind sie aber noch recht teuer und leider nicht überall erhältlich. Ein Vorteil ist, dass man sie öfter verwenden kann.

Was können wir tun?

Dass ein Rückgang der Vermüllung unserer Umwelt unumgänglich ist, darüber zweifelt heute niemand mehr. Eine signifikante Senkung aller Emissionswerte wird von der Politik mittlerweile, spät aber doch, angestrebt. Die Vermeidung der damit verbundenen Umweltschäden würde Kosten in der Höhe von 22 Mrd. EUR einsparen – eine beachtliche Summe.

Aber die Verantwortung alleine bei Politikern und Produzenten zu lassen, ist gewissenlos. Nun stellt sich die Frage : ” Was kann jeder einzelne von uns beitragen, um auch unseren Kindern eine gepflegte, gesunde Natur und Umwelt zu ermöglichen?”

  • Achtvoller Umgang mit allen unseren Ressourcen
  • Erziehung eines jeden einzelnen Menschen – sich selbst bei der Nase nehmen
  • Bewusst werden und Auseinandersetzen mit unserem eigenen Fehlverhalten (Artensterben, Zerstörung der Umwelt unserer Kinder und Kindeskinder!)
  • Einwegprodukte, dazu gehören auch Plastiksäcke so weit wie möglich vermeiden
  • Sparsam mit jedwedem Plastik umgehen, lieber auf Alternativen zurück greifen
  • Plastikmüll, aber auch anderen Müll richtig entsorgen
  • Umwelterziehung an Schulen, in der Politik und in jeder einzelnen Familie